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Körpersprache
der Meerschweinchen
von
Marion Reich
Bei
Meerschweinchen als sozialen Tieren kommt der Körpersprache
große Bedeutung zu. Das Ausdrucksverhalten ist dabei nicht
so deutlich wie etwa bei Hund oder Katze, aber mit ein bisschen
Übung kann man seine Meerschweinchen recht gut "lesen".
Wichtige Aspekte sind das Fell (eng angelegt, mehr oder weniger
gesträubt oder locker getragen), der Augenausdruck und unter
Umständen auch die Ohrenstellung. Außerdem können
sich Meerschweinchen ganz klein oder imposant groß machen.
Je nach Meerschweinchenrasse kann es leichter oder schwerer sein,
die Körpersprache zu interpretieren. Einige Aspekte sind manchen
Rassetieren überhaupt nicht möglich. Am leichtesten zu
lesen sind sicherlich glatthaarige Kurzhaartiere. So ist bei diesen
Tieren am besten zu erkennen, ob sie entspannt sind (locker getragenes
Fell), aufgeregt und leicht aggressiv (aufgestelltes Fell im Nackenbereich,
manchmal bei stärkerer Erregung auch ein aufgestellter Kamm
in der Mitte des Rückens), ob sie sich wohlfühlen (locker
getragenes Fell) oder ob ihnen kalt ist (leicht gesträubtes
Fell), ob ein Tier krank ist (stärker gesträubtes Fell)
oder ob es sich fremden Artgenossen gegenüber wichtig macht
(dicke Fellkugel). Ein ängstliches, verschrecktes Meerschweinchen
hat dagegen sein Fell eng angelegt.
Zuneigung
und freundliche Begrüßung
Zwei
einander gut bekannte Meerschweinchen begrüßen einander
durch gegenseitiges Beschnuppern in der Schnauzengegend. Bei der
Begrüßung von Männchen und Weibchen beginnt das
Männchen nach einer gewissen Trennung meistens seinen Balztanz.
Eine Geste besonderer Zuneigung ist ein gegenseitiges Beschnüffeln
und Abschlecken bei den Ohren oder rund um die Schnurrhaare. Manchmal
hat man den Eindruck, als würde ein Tier am Öhrchen des
anderen knabbern. Ein besonders eingehendes Beschnüffeln eines
Tieres durch die restlichen Gruppenmitglieder im Schnauzenbereich
kann aber auch beobachten, wenn es gerade etwas besonders Schmackhaftes
gefressen hat, das sie anderen auch möchten. Es kann aber auch
auf eine Erkrankung hinweisen, da Meerschweinchen einen leicht veränderten
Körpergeruch wahrnehmen können, der am Menschen spurlos
vorübergeht.
Werbeverhalten
Das Balzverhalten der Meerschweinchenböcke besteht aus
wiegenden Schritten, mit denen das Böckchen langsam seitlich
neben dem Weibchen hin- und hertrippeln und dabei tiefe Gurr- oder
Brummlaute ausstößt. Es präsentiert dabei im Allgemeinen
seine Flanke, sodass es zu einer T-Stellung der beiden Tiere kommt.
Meistens ist auch das Nackenfell, manchmal das ganze Fell etwas
gesträubt und das Männchen stellt sich direkt auf seine
Zehenspitzen, um sich möglichst groß zu machen. Auch
brünstige Weibchen zeigen dieses Balzverhalten.
Der Balztanz (auch als Meerschweinchen-Rumba bezeichnet) wirkt in
Stresssituationen oder Konfliktsituationen zwischen Weibchen der
Gruppe auch als beruhigendes Signal. Ein sozial kompetenter Bock
spielt eine wichtige Vermittlerrolle zwischen den Weibchen der Gruppe
und sorgt so für eine stabile soziale Ordnung. Dieses Verhalten
wird aber auch im Rahmen des Dominanzverhaltens gezeigt.
Im
Zuge der Partnerwerbung, aber auch beim Dominanzverhalten, läuft
das Männchen (bzw. das dominante Tier) hinter dem Weibchen
(bzw. dem unterlegenen Tier) her und reitet auf. Auch brünstige
Weibchen laufen im Allgemeinen zunächst vor dem Männchen
weg. Sind sie in Paarungsstimmung, präsentieren sie sich dem
Böckchen, indem sie ihr Hinterteil hochrecken und ihm direkt
vor die Nase halten. Brünstige Weibchen zeigen dieses Verhalten
auch anderen Weibchen gegenüber. Häufig kann man auch
beobachten, dass sie versuchen, bei anderen Weibchen oder auch beim
Bock aufzureiten. Fotos dazu finden Sie hier.
Harnspritzen
Das Harnspritzen ist eine Abwehrreaktion, die Weibchen häufig
dem allzu aufdringlichen Werbeverhalten des Männchens entgegensetzen,
wenn sie nicht brünstig sind. Es wird auch bei Vergesellschaftungen
häufig beobachtet. Das Böckchen bleibt dann einen Moment
verdutzt sitzen, beutelt sich manchmal - und setzt seine Verfolgung
dann im Allgemeinen recht unverdrossen fort. Natürlich ist
das Harnspritzen nicht nur gegen Böcke gerichtet, aber die
Herren bekommen im Allgemeinen das meiste ab.
Auseinandersetzungen
Meerschweinchen drohen einander mit hochgehaltenem Kopf und
entblößten Schneidezähnen. Die nächste Warnstufe
ist ein Zähneklappern, das sich zu einem wütenden Crescendo
steigern kann, wenn das andere Meerschweinchen die Drohung noch
immer ignoriert. Der nächste Schritt ist ein Hinfahren auf
den Kontrahenten. Zunächst kommt es meistens zu einem Biss
in die Luft vor der Schnauze des Kontrahenten. Dabei ist häufig
ein richtiges Schnappgeräusch zu vernehmen. Wenn auch das noch
keine Wirkung zeigt, kommt es zum tatsächlichen Angriff. Ziel
ist häufig das dicke Fell im Nacken. Bei ernsthaften Auseinandersetzungen
kann es vorkommen, dass die Tiere sich in einander verbeißen
und wie eine Kugel herumrollen. Bissverletzungen fügen Meerschweinchen
einander bei kleineren Auseinandersetzungen normalerweise nicht
zu, allerdings können Kerben in den Ohren eine Folge sein.
Gesträubtes
Fell
Meerschweinchen zeigen in verschiedenen Situationen gesträubtes
Fell - besonders gut zu beobachten ist das aber natürlich nur
bei Glatthaartieren. Gesträubtes Fell im Nackenbereich oder
sogar in einem Strich den Rücken entlang ist ein Zeichen für
Erregung und wird häufig im Zuge von Auseinandersetzungen innerhalb
der Gruppe, bei Vergesellschaftungen, aber auch beim Paarungsverhalten
gezeigt. Nett ist auch, wie sich manche Meerschweinchen ausplustern,
wenn ihnen das Fressen besonders gut schmeckt.
Sitzt ein Tier aber mit gesträubtem Fell im Gehege, kann das
auch ein Hinweis darauf sein, dass dem Tier entweder kalt ist oder
dass es krank ist (Näheres
zu Krankheitssymptomen).
Gänsemarsch
Sind Meerschweinchengruppen gemeinsam im Freilauf unterwegs, bewegen
sie sich häufig im Gänsemarsch. Auch zwei Meerschweinchen
auf Erkundigungstour zeigen dieses typische Verhalten häufig.
Ängstlich-neugieriges
Erkundigungsverhalten
Ein ängstliches Meerschweinchen erkennt man im Allgemeinen
gut an seinen groß aufgerissenen Augen. Die Augen erscheinen
kugelrund. Ein entspanntes Meerschweinchen hat dagegen eher mandelförmige
Augen, manchmal auch leicht geschlossen, wenn es vor sich hindöst,
während ein unternehmungslustiges Meerschweinchen runde, aber
nicht aufgerissene Augen zeigt. Dazu kommt meist noch ein besonders
unternehmungslustiger Gang und leicht wippende Ohrenspitzen.
Im Gegensatz dazu streckt sich ein Meerschweinchen beim ängstlich-neugierigen
Erkundungsverhalten lange aus, der Bauch berührt dabei fast
den Boden, die Bewegungen sind teilweise ruckartig vorwärts,
normalerweise aber langsam. Die Bewegung kann von glucksenden Erkundungslauten
begleitet sein. Charakteristisch ist auch ein schneller Wechsel
von Durchstarten und Abbremsen (mehr
zum Erkennen von Angst beim Meerschweinchen).
Hochwerfen
des Kopfes
Durch
das Hochwerfen des Kopfes droht ein Meerschweinchen einem anderen
Tier. Es wehrt auf diese Weise auch die streichelnde Hand des Menschen
ab, wenn Streicheln gerade unerwünscht ist. Manchmal beginnt
das Tier auch sich besonders lang zu strecken oder
sich leicht zu wälzen. Es windet sich dann unter der Berührung,
die als unangenehm empfunden wird. Hört das Streicheln oder
Bürsten nicht auf, kann es passieren, dass sich das Meerschweinchen
leicht seitlich dreht und mit den Hinterbeinen die Berührung
abwehrt, meistens begleitet von aufgeregtem Singsang.
Betteln
Neben
den bekannten Bettelgesängen ist das Aufrichten auf die Hinterbeine
und Männchenmachen ein typisches Bettelverhalten. Meerschweinchen
richten sich im Allgemeinen nicht auf die Hinterbeine auf, wenn
sie die Umgebung überwachen oder eine interessante Witterung
wahrgenommen haben. Dabei wird üblicherweise nur der Kopf angehoben
und interessiert geschnuppert (meist mit leicht geöffnetem
Mäulchen). Manche Meerschweinchen springen dazu auch recht
gerne auf einen erhöhten Aussichtspunkt.
Das
Nagen am Gitter des Geheges kann ebenfalls ein Bettelverhalten sein.
Es kann aber auch ein Zeichen von Langeweile sein, wenn Meerschweinchen
in einem zu kleinen Käfig/Eigenbau gehalten werden.
Manchmal zeigen Meerschweinchen damit auch an, dass etwas von der
anderen Seite des Gitters ist, zum dem sie gerne möchten (zB
ein köstlich duftendes Weibchen), oder dass es einfach höchste
Zeit für den gewöhnten Freilauf ist.
Gute
Laune & Übermut
Luftsprünge,
Hakenschlagen und schneller Meerschweinchengalopp sind typische
Ausdrucksweisen eines Tieres, das sich gerade sauwohl fühlt.
Manchmal wirkt das ansteckend auf die ganze Gruppe. Häufige
Sprünge können aber auch ein Zeichen von Juckreiz sein,
in Kombination mit einem Aufschrei auch ein Hinweis auf Schmerzen.
Aneinanderkuscheln
Da Meerschweinchen
keine Tiere sind, die als Erwachsene ausgeprägtes Kontaktliegen
zeigen, ist es im Allgemeinen kein gutes Zeichen, wenn sich erwachsene
Meerschweinchen aneinanderkuscheln. Sie sind dann häufig entweder
gestresst, frieren oder fühlen sich sonst nicht wohl. Tiere,
die sich sehr gerne mögen, können aber durchaus in unmittelbarer
Nähe zueinander liegen, meistens aber ohne direkten Körperkontakt.
"Meerschweinchen-Kipferl"
Wenn Meerschweinchen vollkommen entspannt schlafen, lagern sie häufig
etwas seitwärts und legen sich richtig U-förmig zurecht.
Auch ein Ausstrecken der Hinterbeine, nach hinten oder häufiger
seitlich, kann dabei oft beobachtet werden.
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