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Vergesellschaftungen
von
Marion Reich
Meerschweinchen
zeigen zwar kein so ausgeprägtes Territorialverhalten wie Kaninchen,
aber auch Meerschweinchen haben ihr Territorium, das gegen Neuankömmlinge
verteidigt wird.
Hat
man eine Zweiergruppe und ein Tier verstirbt, ist es im Allgemeinen
kein besonderes Problem, dem verbleibenden Tier einen neuen Partner
dazuzugesellen. Nach nur wenigen Tagen "Einzelhaft" ist
das Schweinchen normalerweise so ausgehungert nach meerschweinlicher
Gesellschaft, dass es sich über den neuen Kameraden freut.
Am problemlosesten ist dabei die Vergesellschaftung von einem Weibchen
und einem kastrierten Männchen, egal welches Tier den Heimvorteil
hat. Es
ist zwar immer schwierig, allgemeingültige Aussagen über
Vergesellschaftungen zu machen, da Meerschweinchen ausgeprägte
Individualisten ist, aber ich bin bis jetzt keinem Männchen
begegnet, das sich nicht über die Gesellschaft eines jüngeren
Weibchens gefreut hätte.
Ist
das Tier, das einen neuen Partner braucht, noch nicht in fortgeschrittenem
Alter hat es mit einem etwa gleich alten Partner am meisten Spaß.
Vergesellschaftet man dagegen ein altes Meerschweinchen mit einem
sehr jungen, kann das junge Tier für das ältere zwar wie
eine Art Jungbrunnen fungieren (oder ihm furchtbar auf die Nerven
gehen), das jüngere Tier wird sich aber schnell langweilen.
Eine Ausnahme von dieser Regel ist die Vergesellschaftung von einem
älteren Bock mit einem Babybock! Mehr zu den unterschiedlichen
Vergesellschaftungsmöglichkeiten für Meerschweinchen,
die bisher in Zweiergruppen gelebt haben, erfahren Sie hier.
Versucht
man einem Pärchen ein weiteres Weibchen dazuzugesellen, kann
es passieren, dass das alteingesessene Weibchen "sein"
Männchen nicht teilen möchte und es zu Streit kommt. Das
kann soweit gehen, dass die Vergesellschaftung unmöglich ist
und man eine zweite Gruppe beginnen muss, oder man versucht die
Situation durch ein weiteres Weibchen anders zu gewichten.
Prinzipiell
sind es die schwierigsten Vergesellschaftungen, wenn man eine Zweiergruppe
um ein weiteres Tier erweitern möchte, auch wenn die beiden
ursprünglichen Tiere zwei Weibchen sind. Normalerweise
ist es einfacher, ein oder zwei Jungtiere in eine Gruppe zu integrieren.
Aber auch hier kann es zu Streit kommen, wenn die Tiere geschlechtsreif
werden, weil sie sich dann auf eine Rangordnung bzw. ihren Platz
in der Gruppe einigen müssen.
Bei
der Integration von Tieren in größere Gruppen
kann es ebenfalls dazu kommen, dass sich die Tiere auf Dauer nicht
vertragen, obwohl die Vergesellschaftung anfangs scheinbar reibungslos
funktioniert hat, bzw. kann die Vergesellschaftung sehr langwierig
sein und es können Wochen vergehen, bis sich das neue Tier
wirklich vollkommen in die Gruppe integriert hat. Denn die Aneinandergewöhnung
erwachsener Tiere im Zuge einer Vergesellschaftung ist nichts, das
in wenigen Tagen über die Bühne geht, sondern es kann
durchaus lange dauern, bis die neue Rangordnung innerhalb der Gruppe
gefestigt ist.
Wenn
Sie versuchen, einander fremde, erwachsene Tiere aneinander
zu gewöhnen, müssen Sie besonders vorsichtig vorgehen,
da die Beißereien so schlimm ausfallen können, dass sich
die Streithähne gegenseitig schwer verletzen.
Beim
Trennen von zwei kämpfende Meerschweinchen denken Sie
bitte immer daran, dass die Meerschweinchen während des Kampfes
nicht zwischen dem Gegner und der Hand unterscheiden, die sonst
das Futter austeilt. Nachdem der Mensch kein dichtes Fell hat, das
die Haut schützt, kann man sich beim Trennen der Kampfhähne
ordentliche Bisswunden zuziehen.
Daher
ist es besser die Hand mit einem Handtuch oder einem Handschuh schützen.
Allerdings hat man so weniger Gefühl, was sich als sehr negativ
erweisen kann.
Manchmal lassen sich Meerschweinchen durch Händeklatschen ablenken.
Wenn die Tiere aber in vollem "Kampfmodus" sind, kann
das zu wenig Ablenkung sein. Gut funktioniert ein gezielter Strahl
sauberen Wassers aus einem Blumenbesprüher. Nachdem Meerschweinchen
nicht gerne nass werden und das Harnspritzen auch eine artspezifische
Abwehrhandlung ist, sind sie einen Augenblick abgelenkt und können
dann schnell getrennt werden. Dabei ist es natürlich wichtig,
die Tiere nicht zu durchnässen! Es geht nur um einen kurzen
Strahl, der bei den meisten Fellvarianten ganz oberflächlich
abperlt. Dieser Tipp eignet sich vor allem für Meerschweinchen
in Innenhaltung, da es bei Zimmertemperatur weniger schlimm ist,
wenn die Meerschweinchen etwas nass sind.
Je
mehr Platz bei einer Vergesellschaftung zur Verfügung
steht, damit die Tiere einander ausweichen könnten, desto besser.
Allerdings sollte der Platz auch nicht so groß sein, dass
sich die Tiere aktiv aus dem Weg gehen und es zu gar keiner Vergesellschaftung
kommt.
Die
erste Begegnung sollte auf möglichst neutralem Boden
stattfinden. Nur das Gehege zu reinigen und etwas umzugestalten
und den Neuankömmling einfach zu den anderen zu setzen, wird
in den meisten Fällen furchtbar ins Auge gehen.
Da
Meerschweinchen einen sehr feinen Geruchssinn haben, bin ich auch
nicht überzeugt, ob das neue Tier durch Einreiben mit Einstreu
wirklich auch nur geringfügig "getarnt" wird. Ich
bin der festen Überzeugung, dass sich Meerschweinchen individuell
erkennen und daher ein neues Tier in der Gruppe sofort ausmachen.
Ich
verwende bei Vergesellschaftungen meistens ein klappbares Freilaufgehege,
lege den Boden mit einer urindichten Schicht (zB einem alten Duschvorhang)
und alten Handtüchern, altem Bettzeug oder einer Fleecedecke
aus und verwende sonst nur Kuschelrollen. Kuschelrollen haben den
großen Vorteil, dass man sich darin nicht (so leicht) in die
Enge treiben und dass sich kein Schweinchen an ihnen weh tun kann.
Ist das erste Beschnuppern vorüber, teile ich Heu und Saftfutter
aus, damit alle Beteiligten gemeinsam fressen können.
Treffen
Meerschweinchen zum ersten Mal aufeinander, ist es vollkommen normal,
dass es zu Herumjagen und Auseinandersetzungen kommt. Auch Tiere,
die sich schon kennen, können in der Hitze des Gefechts zu
streiten beginnen. Als Halter hat man daher die wichtige Aufgabe,
die Nerven zu bewahren und sich nicht einzumischen! Zähneklappern,
gegenseitiges Aufreiten, herzzerreißendes Schreien und ein
Hinterherlaufen (und Scheuchen) sind normal und sollten keinesfalls
unterbrochen werden. Je öfter man die Tiere unnötig trennt,
desto länger dauert die Vergesellschaftung, da die Rangordnung
jedesmal wieder von neuem ausgemacht werden muss. Man muss sich
aber bei jeder Vergesellschaftung immer bewusst sein, dass es keine
Garantie gibt, dass sich ein Meerschweinchen in eine bestehende
Gruppe integrieren lässt.
Verbeißen
sich die Tiere allerdings ineinander oder fügen einander sogar
blutende Wunden zu, sollte man die Tiere sofort trennen. Haben die
Tiere zwar gekämpft, aber sich nichr verletzt, kann man noch
einmal eine Vergesellschaftung versuchen, wenn sich alle Gemüter
(inklusive des eigenen) wieder beruhigt haben (am besten erst am
nächsten oder übernächsten Tag, damit genug Zeit
ist, dass die Stresshormone im Blut wieder abgebaut werden können).
Kam es zu tatsächlichen Bisswunden, würde ich keine weitere
Vergesellschaftung mehr riskieren.
Nachdem
das neue Tier oder die neuen Tiere eingezogen sind, sollte man die
Gruppe in den nächsten Wochen besonders genau beobachten, ob
auch wirklich alles gutgeht. Manchmal wird ein Tier von einem anderen
gemobbt und am Fressen gehindert oder einfach immer wieder durch
die Gegend gehetzt. Dabei muss es nicht zu offenen Kampfhandlungen
kommen, aber das betroffene Tier ist starkem Stress ausgesetzt.
Es empfielt sich daher, auch das Gewicht aller Tiere genau im Auge
zu behalten. Gewichtsverlust im Anschluss an eine Vergesellschaftung
kann ein Zeichen für starken sozialen Stress sein und sollte
nicht über die Dauer von wenigen Wochen hinaus bestehen.
Darüber
hinaus sollte man die Gruppe aber möglichst in Ruhe lassen.
Jetzt ist nicht die Zeit, um sich besonders intensiv mit den Meerschweinchen
zu beschäftigen, mit ihnen spielen oder trainieren zu wollen.
Auch Tierarztbesuche sollten, wenn möglich, nicht in der ersten
Zeit nach der Vergesellschaftunng stattfinden, wenn es sich nicht
um etwas Dringendes oder Verletzungsbedingtes handelt.
Je weniger man von außen mit Stressfaktoren auf die Gruppe
einwirkt, desto schneller kann Ruhe einkehren.
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