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Böckchenhaltung
von
Cornelia Schiketanz und Marion Reich
Einleitend
sei gesagt, dass die hier angeführten Tipps und Tricks auf
mehrjährigen Erfahrungen mit Böckchenhaltung basieren.
Sie sind keine Garantie, dass es klappt, aber wenn man die folgenden
Dinge beachtet, hat man schon sehr gute Vorraussetzungen für
eine lange, erfüllte Gemeinschaft zwischen Böckchen geschaffen.
Bei
der Böckchenhaltung gibt es natürlich einiges zu beachten,
damit es funktionieren kann, und das letzte Wort haben immer noch
die Tiere selbst. Wenn sie sich nicht mögen, kann man sich
noch so viel Mühe geben, es wird niemals funktionieren.
Dinge,
die bei reiner Böckchenhaltung beachtet werden sollten:
- Böckchenhaltung
braucht Platz! Für zwei Tiere braucht man eine Grundfläche
von 1,5-2 Quadratmetern, denn die Böckchen müssen sich
immer aus dem Weg gehen können. Allerdings kann es bei einem
zu großen Platzangebot auch dazu kommen, dass beide Böcke
sich ein Territorium suchen und dieses dann gegen den anderen
Bock verteidigen. Hier ist ein gesundes Mittelmaß gefragt.
Es
müssen genug Häuser, Weidenbrücken, Unterstände
etc. vorhanden sein, damit sich die Tiere auch aus dem Weg gehen
können, wenn ihnen nicht nach Gesellschaft ist. Häuser
mit nur einem Eingang sollten in der Bockhaltung niemals verwendet
werden, damit der auserkorene Ruheplatz nicht zur Sackgasse wird.
Es kann sonst leicht passieren, dass ein dominantes Tier den Eingang
verbarrikadiert hat, indem es sich davor gelegt hat und es somit
kein Entkommen mehr gibt.
Ebenso
sollten mehrere Wasserstellen und Futterschüsseln, sofern
Futterschüsseln verwendet werden sollen, vorhanden sein,
denn Futterneid ist auch ein häufiger Streitpunkt.
-
Bei der reinen Böckchenhaltung sollte es zu keinem Kontakt,
auch keinem Geruchskontakt zu Weibchen kommen. Bei Züchtern
oder in Notstationen, in denen sehr viele Tiere in Kleingruppen
in benachbarten Gehegen gehalten werden, kann es zwar durchaus
unproblematisch sein, dass Weibchen im gleichen Raum untergebracht
sind. In der normalen Heimtierhaltung kann es aber zu Problemen
führen.
Direkten Kontakt zu Weibchen sollten die Böcke jedenfalls
nicht haben.
-
Dreierbeziehungen klappen - wie beim Menschen auch - selten bis
nie.
- Eine
Zweierbeziehung klappt am besten, wenn eines der Tiere um mindestens
vier Monate (Richtwert) älter ist als der Neuzugang und letzterer
nicht älter ist als 8 Wochen oder wenn beide Tiere frühkastriert
sind. Zweierbeziehungen müssen viel beschäftigt werden,
da die Tiere leicht faul werden, aber es entstehen durchaus innige
Freundschaften.
- Böcke
können auch in Vierergruppe gehalten werden. Allerdings nur
unter der Voraussetzung, dass genug Platz zur Verfügung steht!
Die Tiere motivieren einander gegenseitig zur Bewegung (einer
ist meistens wach *gg*) und sie haben die Möglichkeit, ihre
"Freunde" zu wechseln. Wachsen Babyböcke, nach
der Trennung von der Mutter mit drei Wochen, in einer Gruppe mit
erwachsenen Böcken heran, lernen sie das Verhalten in einer
Gruppe.
- Frühkastraten
sind im Allgemeinen bei der Bockhaltung verträglicher als
unkastrierte Böcke.
- Die
Kastration von bereits geschlechtsreifen Böcken ist als Maßnahme
bei Unruhe in der Bockgruppe nur zum Teil sinnvoll, da es die
"Chemie" der Tiere nicht wirklich beeinflusst. Ist der
Streit einmal eskaliert, hilft eine Kastration erfahrungsgemäß
nicht mehr.
Es kann allerdings vorkommen, dass ein Meeri, das von Anfang an
die Gruppenhaltung gewöhnt war, auf einmal aggressiv wurde
und sich nach der Kastration wie ein unschuldiges Lämmchen
benommen und sofort wieder friedlichst in die Gruppe integriert
hat.
- Muss
einer der Böcke zum Tierarzt sollte der zweite Bock mitkommen.
Generell sollten die beiden möglichst wenig getrennt werden.
Haben
sich zwei Böcke einmal zusammengefunden, leben sie im Allgemeinen
friedlich zusammen. Es gibt in Böckchengruppen normalerweise
keinen "Zickenstreit". In der Regel ist sehr schnell geklärt,
ob Böcke sich vertragen oder nicht und wer Chef sein darf.
Natürlich hängt es auch vom Charakter der Tiere ab, den
Umständen, wie sie ihre ersten Lebenswochen verbracht haben
und welche Erfahrungen sie in dieser Zeit gemacht haben, aber Böcke
sind im allgemeinen ruhiger, neugieriger, zugänglicher und
deswegen mitunter eher für Kinder geeignet.
Werden
allerdings zwei etwa gleich alte Jungtiere vergesellschaftet, egal
ob es sich um Brüder handelt oder nicht, kann es dazu kommen,
dass sie im Alter von einem halben bis drei Viertel Jahr plötzlich
zu kämpfen beginnen. Das liegt daran, Meerschweinchen-Böcke
im Laufe ihres Heranwachsens mehrere so genannte Rappelphasen durchlaufen.
Die Rappelphase, die häufig am heftigsten ausfällt, machen
sie mit etwa 6 bis 9 Monaten durch. Während dieser Rappelphasen
klären die heranwachsenden Böcke die Rangordnung innerhalb
der Gruppe.
Es ist daher sehr wichtig, dass der Halter nicht bei jedem kleinen
Streit eingreift und die Tiere sofort trennt! Auseinandersetzungen
bei Meerschweinchen sind im Allgemeinen recht lautstark - auch wenn
sie an sich harmlos sind - und es kann auch durchaus dazu kommen,
dass einmal Fellbüschel fliegen. Werden die Böcke bei
jeder kleinsten Auseinandersetzung getrennt, haben sie nie die Gelegenheit,
sich die Rangordnung auszumachen und der Streit geht so lange weiter,
bis die Fronten geklärt sind - oder so verhärtet, dass
ein Zusammensetzen der Tiere nicht mehr möglich ist.
Die
wichtigste Grundregel während der Rappelphasen lautet daher,
dass den Böcken möglichst viel Platz zur Verfügung
gestellt werden sollte und dass man die Herren zwar gut im Auge
behalten, aber zunächst mehr eine Beobachterrolle einnehmen
sollte. Eingegriffen wird nur dann, wenn es tatsächlich zu
echten Kämpfen kommt, bei denen sich die Tiere ineinander verbeißen,
oder sich die Tiere Bisswunden zufügen (wie man Streithähne
am besten trennt, lesen Sie hier).
Man muss in solchen Situationen allerdings auch immer darauf achten,
dass es zu keinem Mobbing innerhalb der Gruppe kommt und dass alle
Gruppenmitglieder ungehinderten Zugang zu Futter und Wasser haben
und auch sonst nicht ständig in die Enge gedrängt werden.
Wie
oben schon geschrieben, lässt es sich generell nicht sagen,
ob eine Kastration eines oder beider Böcke Abhilfe in Streitsituationen
schaffen kann. Wenn die Auseinandersetzungen einmal so weit eskaliert
sind, dass die beiden Böcke einander überhaupt nicht mehr
riechen können, wird eine Kastration im Allgemeinen zu keiner
Befriedung mehr führen.
Anders kann es aussehen, wenn die Kastration zu einem früheren
Zeitpunkt erfolgt, wenn die Grenzen noch nicht verhärtet sind.
Dann kann eine Kastration beider Böcke positive Folgen haben.
Sollte
es notwendig sein, Böcke während einer Rappelphase
zu trennen, weil sie sich verletzen und nicht auf eine Rangordnung
einigen können, ist es meistens eine Trennung auf Dauer.
Nachdem auch Böcke niemals in "Einzelhaft" sitzen
sollten, ist eine mögliche Lösung, beide Böcke
kastrieren zu lassen und nach der 6-wöchigen Kastrationsquarantäne
(in dieser Zeit können die Böcke noch zeugungsfähig
sein) jedem ein Weibchen dazuzugesellen.
Positive
Erfahrungsberichte in Hinblick auf die Bockhaltung gibt es mit Frühkastraten.
Sie fügen sich normalerweise relativ problemlos in Gruppen
ein und es kommt bei ihnen auch nicht zu so ausgeprägten Rappelphasen
wie bei nicht kastrierten Böcken.
Größere Chancen auf eine harmonische Bockgruppe hat man
auch, wenn die beiden Böcke nicht ungefähr gleich alt
sind, sondern zumindest einige Monate Altersunterschied zwischen
ihnen besteht. Normalerweise ordnet sich der jüngere Bock,
sofern er zum Zeitpunkt der Vergesellschaftung noch möglichst
jung ist, seinem älteren Partner problemloser unter, als wenn
beide Böcke etwa gleichaltrig sind.
Stirbt
aus einer Zweiergruppe ein Männchen, ist es wichtig, ihm einen
möglichst jungen Bock dazuzugesellen und keinen älteren,
heranwachsenden oder erwachsenen Bock. Die Vergesellschaftung von
erwachsenen Böcken funktioniert nur dann, wenn beide Böcke
vom Charakter her dazu geeignet sind und wenn beide während
des Heranwachsens Kontakt mit Böcken verschiedensten Alters,
unbedingt auch mit erwachsenen Böcken hatten.
Im
Gegensatz zu Weibchen müssen Böcke während des Heranwachsens
die sozialen Spielregeln innerhalb der Gruppe erst lernen, insbesondere
im Umgang mit Artgenossen des gleichen Geschlechts. Und sie müssen
es auch lernen zu akzeptieren, sich einem anderen Bock unterzuordnen.
Im Gegensatz zu Weibchen ist es bei der wilden Stammform unserer
Hausmeerschweinchen nicht üblich, dass mehr als ein Bock innerhalb
einer Gruppe lebt. Dass mehrere Böcke der Hausmeerschweinchen
zusammen gehalten werden können, ist eine Folge der Domestikation
und der daraus bedingten größeren sozialen Verträglichkeit.
Allerdings ist es auch den Böcken der Hausmeerschweinchen nicht
in die Wiege gelegt, sondern ein Lernprozess in den ersten Lebenswochen
und -monaten.
Wachsen
junge Böcke so auf, dass sie die sozialen Spielregeln gut lernen
können, sind sie auch im späteren Leben problemloser im
Zusammenleben mit anderen Böcken. Auch die Frühkastration
kann dazu führen, dass die Böcke bei Vergesellschaftungen
verträglicher sind.
Vergesellschaftungsregeln
Wie
schon weiter oben erwähnt, sollte bei der Vergesellschaftung
eines der Tiere um mindestens vier Monate (Richtwert) älter
sein als der Neuzugang und letzterer nicht älter als 8 Wochen
sein. Oder beide Tiere sind frühkastriert.
Bei
der ersten Zusammenführung sollte ein Testlauf auf neutralem,
weitläufigem Boden stattfinden. Dazu eigenen sich sowohl der
frischgemachte Freilauf in der Wohnung als auch ein gesichterter
Freilauf in der Wiese (wegen des Nahrungsangebots). Wird beim Testlauf
schon mit den Zähnen geklappert bzw. kommt es zu körperlichen
Attacken, sollte man davon absehen, die beiden ins Gehege umzusetzen,
und schauen, wie sich die Sache im Freilauf entwickelt.
Das
Gehege muss gründlichst gereinigt werden, bevor die beiden
ins Gehege kommen! Man tut auch gut daran, das Gehege mit einigen
Veränderungen zu versehen, damit der "Neue" nicht
als Eindringling betrachtet wird, der auf einmal die angestammten
Plätze beansprucht, sondern dass beide die gleichen Voraussetzungen
haben.
Sowohl
für Freilauf als auch fürs Gehege gilt: Futter verteilen,
das lenkt von eventuellen "Einzugssorgen" ab und die Meeris
finden schnell ihre gemeinsame Leidenschaft. ;-)
Die
Tiere selbst sollte man vorher "auf gleichen Geruch bringen".
Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich sprühe die
Tiere immer mit einem Fellpflegespray ein, denn das erzielt den
gewünschten Effekt, riecht angenehm nach Zitrone und tut auch
dem Fell gut ... mit einem Wort ideal!
Ich habe auch schon von Leuten gehört, die ihre Tiere mit dem
Streu des jeweiligen Parntertieres abgerieben haben. Ich selbst
habe das noch nicht ausprobiert, da mir die erste Variante besser
gefällt und bis jetzt auch immer sehr erfolgreich war.
Der
große Augenblick der Zusammenführung:
Je nach Konstellation kann es sehr unterschiedlich verlaufen. Generell
kann man aber sagen, dass der "Neue" vom Chef in den meisten
Fällen besprungen wird. Das passiert nicht, weil er sich im
Geschlecht geirrt hat, sondern um das andere Tier zu unterwerfen
und ihm gleich klar zu machen, wer hier das Sagen hat.
Bei diesem Vorgang kommt es dann zu einer mehr oder weniger wilden
Jagd durch den Käfig bzw. Freilauf, von der man sich auf keinen
Fall abschrecken lassen sollte. Auch nicht von dem Verhalten, mit
Urin zu spritzen und wenn es bei eventuellen Kollisionen zu kurzen
"Schnappattacken" kommt!
Spätestens nach ein paar Stunden sollte sich der ärgste
Trubel gelegt haben und beide liegen dann meistens erschöpft
darnieder :-).
Gegenanzeichen:
Solange die Tiere einander keine Verletzungen zufügen (Haare
ausreißen, Bisswunden zufügen etc.) hat die Vergesellschaftung
eine Chance. Das heißt, dass Zähneklappern und Haareaufstellen
noch im Rahmen sind, aber alles was darüber hinausgeht, ist
selten noch zu kitten.
Wie
weiter oben schon geschrieben, sollte man den Tieren die Chance
geben, ihren Rang in der Gruppe zu klären. Wenn man sie bei
den ersten Anzeichen von Streitigkeiten aus der Gruppe nimmt, verwährt
man ihnen diese und beim nächsten Versuch geht garantiert alles
wieder von vorne los!
Auf
jeden Fall sollte man die Tiere trennen, wenn es zu tatsächlichen
Beißerein kommt oder eines der Tiere abnimmt, weil es nicht
mehr zum Futter gelassen wird oder sich nicht mehr zum Futter traut.
Tritt der Streit oder das Mobbing in einer Vierergruppe auf, nimmt
man eher den Verfolger als den Verfolgten heraus. Macht man es umgekehrt,
dann kann es passieren, dass der "Übeltäter"
sich ein anderes Opfer sucht (so zumindest meine Erfahrung).
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