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Möglichkeiten
der Gruppenzusammensetzung
von
Marion Reich
Meerschweinchen
sind soziale Tiere, die mindestens einen Artgenossen zum Wohlfühlen
brauchen. Allerdings sind Meerschweinchen auch Individualisten und
verstehen sich nicht unbedingt mit jedem anderen Meerschweinchen.
Aber was würden Sie davon halten, wenn ein Wildfremder plötzlich
bei Ihnen einziehen wollte?
Es
sind verschiedenste Kombinationen für Gruppenzusammensetzungen
möglich.
Zweiergruppen
Bei
Zweiergruppen kann man sich für zwei Weibchen entscheiden,
zwei Männchen oder ein Weibchen und ein kastriertes Männchen.
Es wird immer wieder diskutiert, ob Zweiergruppen schon ausreichen,
um das Bedürfnis nach Sozialkontakten bei Meerschweinchen zu
befriedigen. Meiner Ansicht nach sind Zweiergruppe durchaus eine
gute Haltungsform, sofern die Tiere sich gut verstehen. Es ist bei
der Haltung aber auf mehr Abwechslung im Meerschweinchen-Leben zu
sorgen, da leichter Langeweile auftreten kann als in einer größeren
Gruppe.
Der größte Nachteil bei Zweiergruppen liegt meiner Erfahrung
nach daran, dass die beiden sehr abhängig von der Gesellschaft
des anderen sind und jede Trennung unbedingt vermieden werden sollte.
Stirbt ein Tier, muss das verbleibende Meerschweinchen schnell einen
neuen Partner bekommen, um nicht zu vereinsamen (Näheres dazu
lesen Sie hier).
Nach
meiner Erfahrung können Pärchen (aber unbedingt mit
kastriertem Bock) sehr gut funktionieren. Die Tiere leben in
dieser Haltungsform normalerweise sehr harmonisch zusammen, vor
allem wenn beide etwa in demselben Alter/Lebensabschnitt sind.
Es stimmt im Normalfall nicht, dass der Bock das Weibchen ständig
belästigt. Natürlich ist ein Bock in einer Vergesellschaftungssituation
sehr aufdringlich - das ist er aber auch in einer größeren
Gruppe. Ist die erste Aufregung verflogen, lernt er im Allgemeinen
schnell, dass die Partner(innen) nicht ständig belästigt
werden will/wollen.
Weniger
positiv stehe ich persönlich der Haltung von zwei Weibchen
gegenüber. Das liegt erstens daran, dass es im Allgemeinen
viel leichter ist, Weibchen unterzubringen als Männchen - sowohl
bei Jungtieren als auch bei erwachsenen Notmeerschweinchen. Es ist
daher schade, wenn jemand nur Weibchen hält. Zweitens neigen
Weibchengruppen durchaus zu zickigem Verhalten, das sich oft dadurch
mindern lässt, dass ein Kastrat in die Gruppe integriert wird.
Drittens können Weibchen und Kastrat gemeinsam ein viel größeres
Spektrum des meerschweinchentypischen Verhaltens ausleben. Wenn
man also nur für zwei Tiere Platz hat, rate ich immer zu einem
Pärchen (mit Kastraten).
Wenn
man zwei Weibchen hält und Platz für ein weiteres Meerschweinchen
hat, ist es durchaus eine Überlegung wert, einem der viele
Böcke, die in Tierheimen und Notstationen auf ein neues Zuhause
warten, einen Lebensplatz zu geben. Diese Böcke sind meistens
schon kastriert und haben die 6-wöchige Kastrationsquarantäne
bereits hinter sich.
Fallweise gibt es aber auch Weibchen-Zweiergruppen, die keine weiteren
Tiere, auch keine Böcke, in ihrer Zweisamkeit dulden.
Da
auch eine große Anzahl an männlichen Jungtieren geboren
werden, die eine meerschweinchengerechte Haltung verdienen, und
sich bei Hausmeerschweinchen im Gegensatz zu ihren wilden Vorfahren
auch Böcke tolerieren, ist auch die reine Bockhaltung
möglich. Bei der reinen Bockhaltung müssen die Männchen
nicht kastriert sein, allerdings gibt es gute Erfahrungswerte mit
Frühkastraten. Manche Züchter vergeben Böcke auch
nur kastriert bzw. frühkastriert, um Liebhabervermehrungen
auszuschließen.
Bei der Bockhaltung hat sich die Haltung von zwei Männchen
bewährt. Auch Vierergruppe sind möglich, aber nicht unbedingt
auf Dauer stabil, vor allem bei unkastrierten Böcken. Ungeradzahlige
Gruppe funktionieren im Allgemeinen gar nicht über einen längeren
Zeitraum
(mehr zu Bockgruppen lesen Sie hier).
Wichtig ist, dass die reinen Bockgruppen nicht mit Weibchen in Kontakt
kommen.
Größere
Gruppen
Bei
größeren Gruppen empfiehlt sich im Regelfall die "Haremshaltung"
von einem kastrierten Bock mit mehreren Weibchen. Nach meiner Erfahrung
sind Dreier- bis Sechsergruppen optimal, aber es hängt natürlich
vom Platz ab, den man für die Haltung zur Verfügung hat.
Mehr als fünf Weibchen würde ich nicht mit einem Männchen
vergesellschaften, weil der Stress für das männliche Tier
dann schon zu groß werden kann.
In
der Dreier- bis Sechsergruppe können die Tiere ihr natürliches
Verhalten am besten ausleben und die Gruppengröße entspricht
auch etwa der natürlichen Lebenssituation von Wildmeerschweinchen.
Allerdings kann man gar nicht oft genug betonen, dass das Männchen
unbedingt kastriert werden muss, sonst steht ein Meerschweinchensegen
ohne Ende ins Haus. Und einfach so Meerschweinchen vermehren, sollte
man auf keinen Fall, denn es gibt schon genug heimatlose Meerschweinchen,
ohne dass man selbst seinen Beitrag dazu leisten müsste.
Bei
einer reinen Weibchengruppe ist - wie bei den reinen Bockgruppen
- einer geradzahligen Gruppengröße der Vorzug zu geben,
auch wenn ungeradzahlige Weibchengruppen durchaus funktionieren
können. Es ist nur die Gefahr größer, dass ein Tier
ausgegrenzt wird.
Zwei
Männchen und zwei Weibchen gemeinsam zu halten, ist im Allgemeinen
ein Garant für Auseinandersetzungen.
Wenn man ausreichend Platz zur Verfügung hat, kann man aber
unter Umständen zwei Männchen mit mehreren Weinchen halten.
Allerdings braucht es dann nach Erfahrungswerten mindestens drei
Weibchen pro Männchen, eine große Portion Glück
und Männchen, die es schaffen, sich miteinander zu einigen,
welche Weibchen wem "gehören". Dazu ist es notwenig,
dass die Männchen während des Heranwachsens gelernt haben,
sich mit erwachsenen Böcken zu arrangieren, was leider nicht
immer der Fall ist. In diesem Fall handelt es sich dann aber nicht
mehr um eine Gruppe, sondern um zwei Untergruppen, die nebeneinander
leben.
Etwas anders verhält es sich, wenn die Männchen frühkastriert
wurden. Frühkastraten sind unter Umständen (abhängig
vom individuellen Charakter) zusammen mit anderen Böcken in
größeren Gruppen und auch in Gruppen mit Weibchen und
einem anderen Bock zu halten.
Ab
einer gewissen Gruppengröße kann jede Gruppe, auch eine
reine Haremsgruppe, in zwei Untergruppen zerfallen.
Zur
Altersstruktur innerhalb einer Gruppe
Bringt
man Jungtiere oder Jungtiere mit erwachsenen Meerschweinchen zusammen,
ist die Vergesellschaftung normalerweise
problemlos.
Ab
einem Alter von etwa vier Monaten bis etwas über ein halbes
Jahr, beginnen die Kleinen allerdings meist damit, ihren Platz in
der Gruppe zu behaupten.
Sind dann alle Tiere der Gruppe etwa im selben Alter, können
sowohl in Weibchengruppen als auch in Männchengruppen durchaus
die Fetzen fliegen. Es ist daher am besten, wenn eine gewisse Altersstruktur
innerhalb der Gruppe herrscht, vor allem bei gleichgeschlechtlichen
Gruppen und größeren Haremsgruppen (ein Kastrat mit mehreren
Weibchen).
Jungtiere können sich auf diese Weise auch bei älteren
Tieren orientieren und profitieren dabei sowohl in der Phase der
Eingewöhnung als auch in ihrem Sozialverhalten.
Treten in der Gruppe trotzdem vorübergehende Missstimmungen
auf, hält man sich als Halter möglichst heraus, weil jede
Einmischung die Klärung der Fronten verzögern kann. Eingreifen
sollte man nur, wenn sich die Tiere tatsächlich Bisswunden
zufügen oder die Situation eskaliert. Dann kann es sein, dass
man die Tiere trennen muss. (Näheres dazu lesen Sie hier.)
Kein
Meerschweinchen-Besuch!
Ganz
wichtig ist, dass man bestehende Meerschweinchen-Gruppen nicht einfach
zusammensetzt, zB bei der Urlaubsbetreuung oder wenn Kinder mit
ihren Meerschweinchen Freunde mit Meerschweinchen besuchen wollen.
Das bedeutet für alle beteiligten Tiere großen Stress,
auch wenn es vielleicht "nur" bei einem Ausflug in den
Garten oder zu Freunden passiert. Die Männchen der jeweiligen
Gruppen werden dann normalerweise zu streiten beginnen, aber auch
wenn nur Weibchen in der Gruppe sind, ist ein Zusammensetzen von
Gruppen keine gute Idee. Wenn in einer Gruppe unkastrierte Männchen
leben, können die Weibchen der anderen Gruppe noch dazu gedeckt
werden. Meerschweinchen gehen nicht einfach so "Freunde"
besuchen. Die "Freunde" sind die Tiere der Gruppe, in
der sie leben.
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