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Sozialisation
& Habituation von Meerschweinchen-Babys
von
Marion Reich
Bei
Hunden, Katzen und Pferden ist es längst bekannt, dass Lernerfahrungen,
die die Tiere in ihren ersten Lebenswochen machen, wichtige Weichen
für das restliche Leben stellen. In diesen ersten Lebenswochen
ist es wichtig, dass die Jungtiere an andere Lebewesen (der gleichen
Art, unter Umständen auch an andere Tierarten, wenn erwünscht,
und natürlich an den Menschen - Sozialisation) und an
die Umwelt und alle damit verbundenen Sinneseindrücke (Habituation)
gewöhnt werden.
Während die Sozialisation auf eine relativ kurze Lebensphase
(je nach Art) beschränkt ist, ist die Habituation auch nach
Abschluss dieser sensiblen Phase noch möglich.
Auch
bei Meerschweinchen spielen die ersten Lebenswochen eine wichtige
Rolle, gilt es doch einerseits den übermächtigen Menschen
als netten Mitbewohner kennen zu lernen, aber andererseits auch
verschiedenste Situationen und Geräusche des Alltaglebens tolerieren
zu lernen. So kann es für Tiere, die aus einer Außenhaltung
oder einer Stallhaltung stammen, schwer sein, sich an das Leben
in einem typischen Haushalt mit Staubsauger, Waschmaschine und Fernseher
zu gewöhnen, vom lästigen Küchenwecker ganz zu schweigen.
Denn obwohl Meerschweinchen sehr anpassungsfähige Gesellen
sind, merkt man deutliche Unterschiede zwischen Tieren, die relativ
oder vollkommen isoliert aufgewachsen sind und/oder in ihrer Kindheit
kaum Kontakt zu Menschen hatten, und solchen, die vom ersten Lebenstag
an vollkommen in die Familie integriert waren. Wobei natürlich
auch bei Meerschweinchen - wie bei jedem Lebewesen - individuelle
Veranlagungen eine Rolle dabei spielen, wie anpassungsfähig
ein Tier ist oder sein kann.
Leider
gibt es meines Wissens (noch) keine wissenschaftlichen Untersuchungen
bei Meerschweinchen zur Länge der sensiblen Phase, in der positive
Eindrücke so wichtig sind. Beim Hund dauert die sensible Phase
etwa von der 4. bis zur 12. Woche. Bei der Katze wird die sensible
Phase etwa von der 2. bis zur 7. Woche angenommen, bei Pferden etwa
die 3. und 4. Lebenswoche.
Es gibt allerdings Untersuchungen an Degus, die genauso wie Meerschweinchen
soziale Nagetiere mit ausgeprägtem Familienleben sind, die
nahe legen, dass die ersten 3 Lebenswochen für die Gehirnentwicklung
wichtig sind (Katharina Braun, Universität Magdeburg).
Wie
kann man Baby-Meerschweinchen optimal auf ihr weiteres Leben vorbereiten?
In
Bezug auf die Sozialisation ist der Kontakt zu Menschen wichtig.
Baby-Meerschweinchen sollten lernen, dass es nicht das Ende der
Welt darstellt, wenn sie im Gehege gestreichelt, hochgehoben, am
Arm oder auf dem Schoß gehalten und herumgetragen werden.
Natürlich darf die Trennung von der Mutter nie lange dauern
und man darf die Kleinen auch nicht als lebendiges Spielzeug missbrauchen.
Die Kontakte zum Menschen müssen immer positiv sein, vielleicht
mit ein bisschen Futter versüßt, und ganz kurz gehalten
werden. Wenige Minuten pro Tag reichen vollkommen aus, denn das
Tierchen soll keinem übermäßigen Stress ausgesetzt
werden. Langhaartiere, die im späteren Leben regelmäßig
gebürstet werden müssen, werden im Idealfall schon als
Kleinschweinchen an die Bürste gewöhnt.
In
Hinblick auf die Habituation wäre eine Gewöhnung an
möglichst viele Alltagsgeräusche wichtig, ob Staubsauger,
Küchenwecker, Handy, diverse Küchengeräte, Waschmaschine,
aber auch Radio und Fernseher usw. Idealerweise wachsen die Baby-Meerschweinchen
im Rahmen des täglichen Alltags des Familienlebens heran und
lernen von klein auf, dass diese Geräusche keine Gefahr darstellen.
Wenn die Mama von Alltagsgeräuschen unbeeindruckt ist, werden
sich auch die Babys leichter daran gewöhnen, als wenn die Mama
besonders ängstlich und gestresst reagiert.
Auch
ein Laufen auf unterschiedlichen Bodenbelägen, wie glatten
Fliesen, Holzboden, Teppichboden etc. trägt dazu bei, dass
das Tierchen keine Probleme mit unterschiedlichsten Untergründen
hat, wenn es einmal erwachsen ist und in seinem neuen Zuhause lebt.
Wenn die Kleinen in ihren ersten Lebenswochen im Gehege vielzählige
Verstecke und auch erhöhte Liegeflächen kennen lernen,
erlernen sie das Springen ganz selbstverständlich und viel
leichter als später in ihrem Leben.
Wenn
die Meerschweinchen aber in ihrem späteren Leben in Außenhaltung
oder Stallhaltung leben sollen, ist es vorteilhaft, wenn die Tiere
schon in dieser Haltungsform heranwachsen.
Bei
Meerschweinchen ist es auch wichtig, dass sie in den ersten Lebenswochen
möglichst viel unterschiedliches Futter kennen lernen,
verschiedenes Gemüse und Obst. Denn was der Bauer nicht kennt,
frisst er auch nicht. Und vermutlich kommt es auch der Entwicklung
der Darmflora entgegen, wenn das Meerschweinchen von klein auf an
unterschiedliches Saftfutter gewöhnt wird.
Das
soziale Lernen innerhalb der Meerschweinchengruppe setzt
zu einem etwas späteren Zeitpunkt ein. Vergleichbares ist zB
auch bei Katzen dokumentiert, die bis zum Alter von etwa 3 Monaten
bei der Mutter und den Wurfgeschwistern bleiben sollten.
Bei Meerschweinchen ist der Zeitraum von der 7. bis zur 9. Woche
wichtig. Diese Phase ist entscheidend für die Entwicklung des
innerartlichen Sozialverhaltens. Laut Prof. Nobert Sachser von der
Universität Münster entscheidet die Art des Sozialkontaktes
in dieser Zeit darüber, wie aggressiv ein Meerschweinchen (das
gilt vorrangig für die Böcke) im späteren Leben sein
wird und wie viel Stress es hat, wenn es fremden Artgenossen begegnet.
Wird beispielsweise ein Böckchen in dieser Lebensphase allein
oder nur mit Weibchen gehalten, hat es keine Möglichkeit, die
sozialen Spielregeln im Umgang mit erwachsenen Männchen zu
lernen und wird daher im späteren Leben auch nicht oder nur
mit großen Schwierigkeiten mit erwachsenen Böcken zurechtkommen.
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