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Vertrauensbildende
Maßnahmen
von
Marion Reich
Meerschweinchen
sind von Natur aus ängstliche Fluchttiere. Sie müssen
lernen, Menschen zu vertrauen. Machen sie von Geburt an ausreichend
positive Erfahrungen mit Menschen und verfügen sie über
eine entsprechend vertrauensvolle bzw. "mutige" Veranlagung,
wachsen sie im Allgemeinen zu aufgeweckten, unternehmungslustigen
Gesellen heran, die nichts zu leicht aus der Ruhe bringt. Aber leider
haben nicht alle Meerschweinchen die Gelegenheit, vom ersten Tag
an ein solches Grundvertrauen zu Menschen aufzubauen. Außerdem
haben vielen Meerschweinchen die angeborene Veranlagung, sich vor
der ganzen Welt zu fürchten.
Es
kann daher notwendig sein, dass man sich das Vertrauen seiner Meerschweinchen
erst mühsam erarbeiten muss. Das ist ein Prozess, der zwar
einige Monate lang dauern kann, aber die Mühe auf jeden Fall
lohnt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. So ängstlich,
scheu und in sich gekehrt ein Tier auch anfangs ist, irgendwann
erreicht man bei jedem Meerschweinchen den Punkt, an dem es Vertrauen
fasst. Die einzige Voraussetzung ist, dass man genug Geduld und
Zeit aufbringt bzw. aufbringen kann. Man kann auch bei Meerschweinchen-Senioren,
die man aus zweiter Hand übernimmt, noch wahre Wunder bewirken,
aber man muss sich immer bewusst sein, dass sich nicht immer schnell
Erfolge erzielen lassen.
Der
wichtigste erste Schritt ist, dass das Meerschweinchen genug Vertrauen
aufbringt, um Futter aus der Hand zu nehmen. Man muss es langsam
an die Anwesenheit des Menschen gewöhnen sowie an die Berührung
durch den Menschen (Handzahmtraining),
aber auch an die menschliche Stimme und Alltagsgeräusche. Wichtig
ist, dass man dem ängstlichen Tier die Möglichkeit gibt,
selbst Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen, damit es lernt, dass
das Leben nichts ist, das ihm immer nur passiert. Man kann das zB
dadurch erreichen, dass man dem Meerschweinchen die Möglichkeit
gibt, das Ende einer "Kuscheleinheit" selbst festzulegen
("Schoßrein"-Training)
oder indem man den täglichen Freilauf
so gestaltet, dass das Tier selbstständig aus dem Gehege kommt
und auch selbstständig wieder ins Gehege zurückkehrt.
Eine
gute Möglichkeit, Meerschweinchen an die menschliche Anwesenheit
zu gewöhnen, ist, sich einfach zum Gehege zu setzen, mit den
Tieren zu sprechen oder ihnen etwas vorzulesen und ihnen gelegentlich
auch einen kleinen Leckerbissen zu gönnen. Nachdem Fressen
(insbesondere das Heufressen) bei Meerschweinchen auch eine soziale
Komponente hat, kann man, wenn das Gehege in der Nähe eines
Esstisches steht, auch leicht beobachten, dass die Tiere zu fressen
beginnen, wenn man sich zum Essen setzt. Auch diese gemeinsame Nahrungsaufnahme
wirkt sich positiv auf die Beziehung zwischen Halter und Meerschweinchen
aus.
Wenn
man für die Gewöhnungsarbeit Futter einsetzt, muss man
sich dabei immer bewusst sein, dass Meerschweinchen sehr schnell
futterforderndes Verhalten zeigen,
wenn sie zutraulich werden. Es ist bei sehr scheuen Tieren zwar
eine positive Entwicklung, wenn man von ihnen angebettelt wird,
aber es kann auch lästig werden, wenn es überhand nimmt.
Deshalb sollte man nicht zu regelmäßig mit Futter arbeiten.
Meerschweinchen haben die Angewohnheit, Leckerbissen, die sie bei
drei analogen Gelegenheiten oder an drei aufeinanderfolgenden Tagen
bekommen, als fixe Einrichtung zu betrachten und vehement zu fordern.
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